Montag, 29. April 2024

Was macht Macht?

Am 20. April fand im Kloster Neustadt ein Thementag mit dem Titel „Was macht Macht?“ statt, in dessen Rahmen sich die Teilnehmenden mit der Macht des Geldes (Referent: Michael Mandel), mit Glaube und Macht (Referentin: Dr. Doris Reisinger) und mit Macht in sozialen Beziehungen (Referentin: Astrid Schrankl) auseinandersetzten. Sonja Haub, Bildungsreferentin Katholische Erwachsenenbildung (KEB) Pfalz, war dabei und trägt im nachfolgenden Impuls Schlaglichter der Veranstaltung zusammen.

 

Macht

Macht ist sicher kein Begriff fürs Feierabendgespräch an der Bar. Er polarisiert und fristet daher nur allzu gerne ein Schattendasein. Denn: Über Macht zu sprechen, kann – je nach Kontext – unangenehm sein und den Finger sozusagen direkt in die Wunde legen. Anders als bei manch anderen Begriffen schwingt bei „Macht“ gleich ein ganzer Strauß Assoziationen mit: Es gibt die, die Macht hat und sie klug einzusetzen weiß – zu ihrem Wohl und zum Wohle anderer. Es gibt den, der unter der großen Verantwortung leidet, die mit großer Macht einhergeht. Es gibt die, die ihre Macht missbraucht und damit bei anderen eine Ohnmacht auslöst, die auf Dauer krank machen kann. Es gibt den, der seine Macht verschleiert und sich ohnmächtig gibt, um nicht handeln zu müssen. Und so weiter und so fort …

Dass der rechte Umgang mit Macht ein Spiel mit dem Feuer ist, erleben wir immer wieder: Denn je mehr Macht Mensch erhält, desto stärker die Verlockung, dem Machtrausch nachzugeben und den Blick für das rechte Maß zu verlieren.

Geld und Macht

An vielen Orten in unserer Welt passiert durch mit Geld einhergehender Macht genau das:
Die Kommunistische Partei in China hat über Jahre des wirtschaftlichen Aufschwungs ihre Finanzmacht derart ausgebaut, dass eine vorsichtige Frage nach Menschenrechten bei Staatsbesuchen aus westlichen Ländern inzwischen zwar höflich entgegengenommen wird, aber anschließend folgenlos verhallt. Denn als Wirtschaftsmacht ist China inzwischen unschlagbar.

Schauen wir nach Russland hat dort der Präsident die Volkswirtschaft so aufgestellt, dass die entscheidenden Firmen und Finanzströme in den Händen seiner Befürworter liegen. Wer nicht spurt, verliert sein Geld – und nebenbei vielleicht auch seine Freiheit oder gar sein Leben … Von Demokratie ist dadurch weit und breit nichts mehr zu sehen.

Dass Geld aber auch in nichtpolitischen, eher „spielerischen“ Kontexten zu einer entscheidenden, sehr mächtigen Waffe wird, zeigt der Profi-Fußball. „Geld schießt Tore“ – da sind sich Studien einig. Wer das größte Budget hat, hat statistisch gesehen den höchsten Tabellenplatz. Sportsgeist und Fairness haben aus dieser Richtung betrachtet eher ausgedient. Umso schöner dann zu sehen, wenn Mannschaften plötzlich – der Statistik zum Trotz – durch großen Teamgeist und weniger durch teure Spieler auf den vorderen Tabellenplätzen landen.

Glaube und Macht

Im kirchlichen Kontext spielt die Macht des Geldes eine eher untergeordnete Rolle – zumindest im Selbstbild der Kirche. Großer Immobilienbestand und Vermögen an anderen Stellen sind zwar vorhanden, doch werden sie selten in kirchlichen Argumentationen als Belege für die Macht der Kirche herangezogen. Und auch sonst scheint das Wort „Macht“ im kirchlichen Kontext ein eher unerwünschter Gast zu sein. Der Synodale Weg in Deutschland hat das Ringen um diesen Begriff und die damit einhergehenden Probleme eindrücklich gezeigt: Zwar beschäftigte sich ein Forum explizit mit Macht, aber dennoch gelang es nicht, die durch die hierarchische Verfasstheit der Kirche entstandenen Strukturen so aufzubrechen, dass ein Machtgleichgewicht zwischen den Synodalen erzielt wurde – entscheidende Abstimmungen waren immer noch von der Stimme der Bischöfe abhängig – mit allen Konsequenzen … Das Unglückliche daran: Macht ist im kirchlichen Kontext eng verwoben mit dem christlichen Glauben.

Durch unseren christlichen Glauben entsteht eine Beziehung zum Göttlichen, die sich über alle Grenzen und Regeln des Menschlichen erhebt.

Positiv betrachtet kann Glaube so als Ermächtigung funktionieren: Menschen bekleiden ein hohes Amt und erfüllen ihre Aufgaben aus ihrem christlichen Verständnis heraus verantwortungsvoll und lebensfördernd für die ihnen Anvertrauten. Andere treten durch ihren christlichen Glauben in den politischen Widerstand gegen großes Unrecht. „Kleine“ erheben sich gegen „Große“, weil sie an eine gute Perspektive für alle Menschen glauben und dadurch unbändige Kraft entwickeln. Sogar „Erniedrigung“, also Machtverzicht, um dadurch am Ende zum „Erhöhten“, also Machtvollen, zu werden, ist spätestens seit Jesu Tod am Kreuz ein wesentliches Element christlicher Theologie. So weit, so gut, könnte man meinen.

Aber was, wenn plötzlich der Glaube zu einem Vorwand wird, sich über alle sachlichen Argumente zu erheben und vernünftige Prinzipien zu negieren? Wenn der Glaube zur Ermächtigung wird, die Kleinen noch kleiner zu machen? Wenn Machtverzicht zum Fake wird und dadurch Veränderung unmöglich macht? Wenn Machtausübung nur noch dazu dient, den Status quo und die eigene Position zu erhalten? Jede*r wird für diese Aussagen Beispiele in unserer Kirche finden und sich fragen müssen: Ist es das, was ich von meiner Kirche erwarte und wofür mein christlicher Glaube steht?

Macht in sozialen Beziehungen

An dieser Stelle angekommen, merken wir: In Kirche und Welt – überall dort, wo Menschen aufeinandertreffen – liegen Macht und Machtmissbrauch eng beieinander. Was da hilft? Um die Gefahr wissen, sich und die anderen kritisch hinterfragen und vor allem: Reden, reden, reden – in Dialog treten mit sich selbst und mit anderen.

Denn nur wer um die eigenen Bedürfnisse und die der anderen weiß, kann diese im Blick behalten und eine Lösung suchen, die unterm Strich beides in Balance hält – oder dies wenigstens nach bestem Wissen und Gewissen versucht.