Mittwoch, 14. Juni 2023

Pfützentheologie – ein Beitrag zum Preacher Slam

Von Zeitreisen und Pfützen

Preacher Slam? Ein Prediger:innen-Wettstreit? Ja. Das gibt’s. Das gab’s konkret am vergangenen Samstag beim Evangelischen Kirchentag in Nürnberg. Fünf Personen stellten sich mit ihren Texten dem Publikum. Die Veranstaltung trug den Titel „Preacher Slam. Glamour, Glitzer, Glanz und Gloria“. Und der Kirchentag stand unter dem Leitwort „JETZT ist die ZEIT. Hoffen. Machen.“ Im Rahmen dieser beiden Leitworte bewegten sich die Prediger:innen mit ihren Texten.

Kira Stütz war eine der Mitwirkenden. Sie ist Theologin und Vorsitzende des Jugendausschusses des Kirchentags. Neben diesem ehrenamtlichen Engagement arbeitet sie derzeit an der Uni Leipzig an ihrer Promotion, in der sie sich mit der digitalen Inszenierung von Pfarrer:innen befasst: „Pastorale Identität auf Instagram – Was bedeutet es, wenn Pfarrer:innen posten?“

Ein Stream des Preacher Slams ist hier online verfügbar (Kira Stütz ab Minute 52:30). Wir danken Kira Stütz aber sehr für die schnelle und unkomplizierte Genehmigung, ihren Beitrag zum Preacher Slam auch in Textform veröffentlichen zu dürfen und stellen ihn hier zum Nachlesen bereit:

Pfützentheologie. Von Zeitreisen und Pfützen

Heute ist morgen gestern, doch die Vergangenheit die bleibt. Die Zukunft beginnt morgen und setzt sich danach fort. Ich bin nicht zukunftsweise, ich bin auf meiner Reise – die Reise mit der Zeit in ihrer Geschwindigkeit. Immer schneller, immer weiter, immer höher, immer breiter. Morgen ist das Ziel, die Zukunft die liegt vorn, die Vergangenheit war gestern und ich in ihr verloren. Verlorene Zeit, Vergangenheit? Nein, es ist die Lücke die bleibt, denn in unserer Zeit leidet man unter Gleichzeitigkeit. Der Zeitstrahl unserer Geschichte zerfleddert vermehrt, Ereignisse und Krisen von denen man zeitgleich erfährt. Aber jetzt ist die Zeit, heute ist es soweit. Nicht gestern, nicht morgen, nicht irgendwann mal vielleicht. Es geht ums Jetzt und Hier und um ein Fünkchen Ewigkeit.

Jetzt ist die Zeit. Hoffen.

Vielleicht etwas naiv aus dem Inneren gekrochen. Wie eine Pfütze im Boden, der durch Wurzeln verschoben und hochgehoben, eine Mulde wird, mit Regenwasser gefüllt, und damit einen kleinen Teich kreiert, der mir zum Spiegelbild des Himmels wird. Meine Tür zum Himmel, mitten im Dreck. Kaum zu sehen, aber da ist dieser Fleck. In ihm spiegeln sich Wolken und Bäume und auch etwas blau und ich weiß in diesem Moment genau: Die Welt liegt in Scherben und vieles zerbricht, aber Gottes Zusage nicht. Himmel ist keine Gleichung „Welt minus Krisen“, Himmel ist mitten in all diesem. Denn ich glaube, wenn ich eines begriffen habe in dieser Welt, die mehr und mehr aus den Fugen fällt, dann, dass Gottes Himmel sich anbahnt, da wo es uneben wird.

Jetzt ist die Zeit. Machen.

Nicht nur stehen und Sachen konsumieren und dabei vor Kälte frieren. Hoffnung ist keine Passivität, Handeln erfordert neben Realität auch die Ahnung davon, dass es anders sein kann und durch diese Hoffnung fängt alles an. Und deshalb lasst es uns tun, nicht mehr vor Lähmung ruh’n, sondern vorwärts schreiten und Hoffnung verbreiten. Die Liebe säen und gemeinsam gehen. Lasst es uns anpacken, nicht in uns versacken, sondern helfen und heilen und Gutes verteilen. Vor allem im Kleinen. Lasst uns Blumen pflücken auf Wildwuchswiesen, Taschentücher teilen und Bäume gießen. Lasst uns Luftschlösser bauen und in ihnen tanzen, lasst uns Kirschblütenbäume in Köpfe pflanzen. Lasst uns treiben im Windhauch von Gottes Geist, der uns Frieden und Zukunft verheißt.

Jetzt ist die Zeit. Hoffen. Machen. Hoffnungmachen.

Lasst uns in Pfützen springen und lachen. Lasst uns Pfützenspringer werden, die in unebenen Erden eine Tür zum Himmel offen halten und damit aus mutigem Trotz den Krisen etwas entgegenhalten. Und glaubt mir, ich bin keine Träumerin, keine Realitätsverweigerin. Ich weiß um die ausweglose Lage und um die weltweit größte Plage. Ich weiß, wie sehr wir es als Menschen verkacken, Klimakrise und Krieg anzupacken. Und da ist auch kein tieferer Sinn im Detail unserer Krise, kein Hinter-dem-Bösen-wird’s-klarer-Paradiese. Kein göttlicher Pfeil, der uns treffen und wachrütteln soll, Gott findet das ja alles selbst nicht toll. Aber mitten im Dreck und auf dem Boden, hat sich ganz leise etwas verschoben. Dort wo die Füße dreckig kleben, kann man das größte Wunder erleben.

Heute ist morgen gestern, aber der Himmel, der ist weit.

Und mitten in den Pfützenkuhlen und in dem ganzen Leid, schimmert die Verheißung des Himmels hervor und ragt hinaus als Eingangstor in eine andere Gerechtigkeit und diese macht unsere Herzen weit. Ich bin nicht zukunftsweise, aber ich ahne leise, dass es irgendwie weiter geht, weil Gottes Zusage besteht. Und das endet nicht in Naivität. Schließlich sind Pfützen mit Regen gefüllt, der aus den Wolken wie Tränen fällt. Ich glaube das ist diese Gleichzeitigkeit von Krisen, Problemen und Abgeklärtheit. Von Ängsten und Sorgen vor der Zukunft von morgen. Und der trotzigen Hoffnung, die vorwärts dringt und uns zum Aufstehen und Pfützenspringen bringt. Denn wer wenn nicht wir kann die Hoffnung verkünden, dass wir einst Hass und Krieg überwinden und dass dies nicht lähmt oder zur Trägheit führt, sondern uns zum Lieben und Handeln motiviert.

Jetzt ist die Zeit. Hoffen. Machen.

Geistkraft entfachen. Von Herzen lachen. Liebe machen. Mit Gummistiefeln in Pfützen toben, die stillen Held:innen loben. Innehalten und Herz ausrichten, vorwärts schreiten und Himmel sichten. Problemen von heute mit Mut begegnen und Friedensstifter:innen segnen. Im Kleinen Bäume in Vorgärten pflanzen und auf der Resignation anderer tanzen und sie damit zum Bewegen bewegen und somit die Welt mit Hoffnung beleben.

Jetzt ist die Zeit für Ewigkeit. Machen. Hoffen.

Der Himmel ist offen. Die Welt in Scherben, aber wir, die Erben, geben nicht auf, wir stehen auf. Mit vereinten Kräften und Glauben im Herzen, voll Zuversicht und trotzdem Schmerzen, schreien wir es in die Welt, die schrecklich ist und uns trotzdem gefällt: Vieles schmerzt krass, aber Gott ist da – in Pfützen tanzen mit Glamour, Glitzer, Glanz und Gloria.

Amen

 

Kira Stütz
Diplom-Theologin, Leipzig